Abtauchen (Unterwasserrugby I)

Es wird höchste Zeit, dass sich hier mal was ändert. Bisher habe ich viel zu viele leblose Dinge gepostet, Fotos von Dingen im Kinderzimmer, Strandkörbe oder Baustellen. Die Wahrheit ist: So will ich so gar nicht fotografieren. Ich bringe nur oft nichts Besseres zustande. Dieser ganze tote Kram interessiert mich eigentlich nicht.

Müsste ich mich festlegen, was ich wirklich fotografieren will, würde ich sofort sagen: Menschen. Und nun zeige ich hier endlich einmal solche Fotos.

Was ist das mit mir und den „anderen“ vor meiner Kamera? Dass ich immer dann einen besonderen Kick erlebe, wenn ich Menschen fotografiere, war von Anfang an so. Erst langsam habe ich verstanden, warum.

Fotografieren, das ist für mich Abtauchen, raus aus meiner gewohnten Welt, die sich immer so begrenzt anfühlt. Rein in eine andere, wo es etwas Neues zu sehen und zu lernen gibt, etwas Authentisches, auf das ich mich einlassen kann. Und dafür brauche ich andere Menschen. Fotografieren heißt für mich, sich in die Welten anderer Menschen zu begeben und sie mit so viel wahrer Emotion fotografisch festzuhalten, wie irgend möglich ist.

Die bisher skurrilste Welt, auf die ich mich so einlassen durfte, ist die des Unterwasserrugbys. Wer’s nicht kennt: In einem Schwimmbecken kämpfen sechs gegen sechs Spieler darum, einen schweren, mit Salzwasser gefüllten Ball in das gegenerische Tor zu legen, was so eine Art stählerner Papierkorb ist, der auf der gegnerischen Seite am Beckenboden steht.

Das Ganze ist ein Kontaktsport: Wer den Ball hat, darf attackiert, festgehalten und in die Mangel genommen werden. Wie Rugby eben. Nur unter Wasser. Die Spieler halten die ganze Zeit die Luft an. Ball über Wasser ist verboten. Beim Kampf mit dem Ball bis zur Oberfläche zu kommen, um durch den Schnorchel Luft zu schnappen, gilt als unschön. (Is klar.)

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Als ich zum ersten Mal von dieser Sportart hörte, fand ich sie sofort hirnrissig. Und völlig inkompatibel mit meiner Vorstellung von Freizeitgestaltung (oder gar Lebensfreude). Wie sich rausstellte, konnte ich mich auf diesem gemütlichen Vorurteil nicht ausruhen.

Denn für meine Frau (damals noch Freundin), bedeutete diese hirnrissige Sportart alles. Sie trainierte nicht nur hart, sondern ließ auch keinen Wettkampf aus. Gefühlt war sie ständig in irgendwelchen Schwimmbädern der Republik (nein – der Welt!) unterwegs, um sich mit anderen Teams von Wahnsinnigen die Luft aus den Lungen zu quetschen. Wenn ich diesen Teil von ihr begreifen wollte, musste ich mit.

Ich gestehe, ich habe am Anfang ziemlich gefremdelt. Ich bekam schon vom Zuschauen Nasenbluten. (Das ist nicht gelogen. Gut, meine Taucherbrille war viel zu klein, ich hätte mit sowas rechnen können…). Irgendwann kam ich dann auf die Idee, zu meinem Schutz einen Verbündeten mitzunehmen: meine Kamera.

Das war eine gute Idee. Ab da ging’s bergauf mit der Beziehung zwischen dem „UWR“ und mir. Mir wurde schnell klar, dass die UWR-Spieler ein ziemlich lässiges Völkchen sind, dem es meistens piepegal ist, von einer Kamera beobachtet zu werden, selbst in der – in Alltagskategorien – unvorteilhaftesten Situation. Die Jungs und Mädels sind bei ihrem Sport einfach so sehr bei sich, dass die Welt drumherum für sie keine Rolle spielt. Und gerade das öffnete mir ihre.

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Je länger ich dabei war, desto mehr vergaß ich mein Befremden. Irgendwann machte es Klick, und es war völlig weg. Das ist ist die größte Erfahrung beim Fotografieren: Wenn alle Vorstellungen, die man sich selbst so schön eingeredet hat, plötzlich verschwinden, und nur noch die Wahrnehmung dessen zählt, was vor der Kamera stattfindet.

Das ewige Stimmengewirr im Kopf, das dauernde Flüstern der Dämonen verstummt. Es wird ganz still. Und in die Stille dringt etwas Neues, eine andere Realität, die einem durch die Kamera plötzlich offenbar wird. Es ist ein Geschenk.

Die Bilder hier im Post habe ich 2011 gemacht, als das UWR und ich inzwischen per Du waren. Sie entstanden in verschiedenen Schwimmhallen im Norden Deutschlands.

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2 Antworten

  1. Echt Klasse Bilder, hast ein gutes Auge dafür, und der Text ist echt gut geschrieben und entlockt zumindest mir als Unterwasserrugby Spieler einige Lacher 😉

    • Danke! Ich dachte, die Rugbyspieler können meine Beschreibung Ihres Sports vertragen. Sind ja hart im nehmen. Und nicht gerade humorlos.

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